Zur Revision des Verkehrs-Richtplanes
Grundsatzvotum von Roland Munz vom 22.1.2007

Heute und in den kommenden Tagen bereiten wir den neuen Verkehrsrichtplan für den Kanton Zürich zu. Wie jedes üppige Mahl braucht er als Grundlage ein gutes Rezept, gersunde Zutaten, die richtige Würze und es muss bei der richtigen Temperatur gekocht werden.
Mit ihrer Vorlage 4222 gab uns der Regierungsrat ein mögliches Rezept zur Zubereitung eines währschaften bürgerlichen Verkehrsrichtplanes. Korrekturen an diesem Rezept der Regierung waren aus unserer Sicht unbedingt nötig, damit es heutige Ansprüche eines verkehrspolitischen Feinschmeckers befriedigen kann. Die Kommissionen „Planung und Bau“ sowie „Energie, Verkehr und Umwelt“ haben sich während zweier Jahre intensiv der Vorlage gewidmet.
In der KEVU fand ein ausgewogener Dialog statt. Beide Seiten, die bürgerliche wie die linke, konnten ihre Anliegen einbringen und ausdiskutieren. Das lässt sich unter anderem daran ablesen, dass zum ÖV von rechts wie von links eine ausgewogene Anzahl Anträge umgesetzt und noch aufrecht erhalten wurden.

In den von der KPB bearbeiteten Kapiteln aber hat die Rechte den Richtplan durch eine Flut von Anträgen geprägt. Zahlreiche neue Strassen – darunter so massiv die Landschaft gefährdende Vorhaben wie die äussere Nordumfahrung – sind neu aufgenommen, bei vielen Vorhaben ist die Fristigkeit verkürzt worden. So sind jetzt in der Vorlage 4222A für die nächsten 10 Jahre Strassenneubauten für 9 Mia. Fr. vorgesehen. Dass so etwas unmöglich realisierbar ist, muss allen klar sein. Wer trotzdem an unrealistisch kurzen Fristen festhält spielt der Öffentlichkeit gegenüber mit falschen Karten, weckt Hoffnungen und schürt Ängste. Das ist wie wenn Sie in einem Kochrezept festhalten, die Kartoffel sei während einer Minute gar zu kochen.
Ist es wirklich fair, wider besseres Wissen unmögliche Fristen anzusetzen?

Unsere Anliegen wurden demgegenüber in der KPB fast durchwegs abgeschmettert. Die bürgerliche KPB-Mehrheit legte dabei nicht einmal Wert darauf, umfassend informiert zu werden. So verweigerte sie die Anhörung von Umwelt- und Landschaftsschutzverbänden als Gegenstimmen zu den Anhörungen von Vertretern der Wirtschaft, namentlich der Grossverteiler. Besonders sauer aufgestossen ist, dass letztere die Unverfrorenheit hatten, ihre Interessenwahrnehmung gar noch der Kommission in Rechnung zu stellen.
Ist es ausgewogen wenn nur eine Seite eingeladen wird, ihre Interessen zu vertreten?
Und ist es richtig, wenn man Lobbyisten dafür bezahlt, dass sie uns ihre eigenen Anliegen vortragen dürfen?
Für uns ist hier die Grenze des Skandalösen zumindest erreicht. Wir werden uns daran erinnern, sollten diese Interessenvertreter wieder einmal ein Anliegen vortragen wollen.

Unter dem Eindruck dieser einseitigen Anhörungspraxis ist das ursprünglich passable Kapitel zur Parkierung gründlich versalzen worden. Es ist nicht mehr geniessbar, übrigens nicht nur für Leute mit einem feinen sozialdemokratischen Gaumen, wie der Vorprüfung des Bundes entnommen werden kann.

Dass rund die Hälfte der Minderheitsanträge von der SP stammen ist logische Folge der einseitigen und nicht zu Ende geführten Arbeit in der KPB. Weder der zur Vorlage gehörende Bericht zu den Einwendungen ist vertieft bearbeitet worden, noch fand eine materielle zweite Lesung statt. Eine zweite Lesung ist nicht das Abstimmen über die Liste der Anträge. Eine echte zweite Lesung hätte in einer Gesamtschau über das Resultat der Kommissionsarbeit nach erstem vollständigen bearbeiten der Anträge bestanden. Sie wäre die Chance zur Konsensfindung gewesen. Werfen uns heute einzelne bürgerlichen Exponenten vor, wir hätten uns einem Kompromiss verschlossen, so ist dies schlicht falsch.
Haben nicht gerade wir immer wieder eine materielle zweite Lesung gefordert, damit auch die von der KPB betreuten Kapitel ausgewogener hätten gestaltet werden können?

Indem die Mehrheit in der Kommissionsarbeit ihre eigenen Anliegen ohne Rücksicht durchgedrückt hat, entzog sie einem möglichen Konsens jede Grundlage. Sie hat nach ihrem Gusto Fakten geschaffen und ist jetzt erstaunt darüber, dass wir das nicht so toll finden und unsere Anliegen hier einbringen müssen. Sind FDP, CVP und EVP wirklich an einem Konsens mit unserer Seite interessiert, so haben sie ihn in den nächsten Tagen in der Hand. Ihre Kernanliegen sind in der Vorlage enthalten. Mitte-rechts hat während dieser Session die grosse Chance zu beweisen, dass auch sie auf Anliegen von Natur und Umwelt Rücksicht nehmen kann, indem sie unseren Anträgen zustimmen und mithelfen, den Verkehrsrichtplan ins Lot zu bringen.
Sehen wir uns die rund hundert Anträge der SP an, so stellen wir fest, dass ein Viertel davon blosse Abklassierungen beziehungsweise Verzicht auf Aufklassierungen von bestehenden Strassen betrifft. Hier wird sicher nicht über jeden Antrag breit debatiert werden müssen.

Ein Drittel unserer Anträge sind nötig geworden, um auf die unverdaulichsten Verschlechterungen zurückkommen zu können. Besonders diese Anträge betreffend sehen wir mit grossem Interesse der bürgerlichen Konsensbereitschaft entgegen.

Die SP will, dass die grosse Arbeit welche in den beiden Kommissionen und jetzt im Plenum geleistet wird, erfolgreich ist. Wir wollen einen Richtplan, der vom Bundesrat genehmigt werden kann. Dass der Bundesrat strassenbaulastige Richtplanrevisionen durchaus zurückweist, hat er kürzlich an einer Vorlage aus dem Kanton Baselland bewiesen. Wir wollen mit unserem Engagement daran arbeiten, dass es doch noch eine gute Vorlage wird und dass sie der Bundesrat vorbehaltlos genehmigt.

Vergleichen wir die Zahl unserer Anträge schliesslich mit dem gewaltigen Umfang der Vorlage, so haben wir mit nötigen Anträgen nicht zurück- aber doch (über alles gesehen) Mass gehalten. Die Vorlage umfasst neben den Zieldefinitionen und Massnahmen zu den verschiedenen Verkehrsarten 138 teils sehr gewichtige Vorhaben mit grosser Vorwirkung allein schon auf Grund ihres Richtplaneintrages. Die äussere Nordumfahrung, Stadt- und Seetunnel, Umfahrungen Winterthur, Durchgangsbahnhof Löwenstrasse, Gateway Limmattal, neue Bahnlinien oder den Flughafen Kloten, um nur wenige Beispiele zu nennen.
Ü ber alles gesehen halten wir es mit der nicht eigentlich als Leitblatt grüner Politik berühmten NZZ, welche feststellt, der vorliegende Verkehrsrichtplan sei ein „konzeptloses Wunschkonzert“ vor allem nach mehr Strassenbau. Eine bekömliche Verkehrspolitik wie sie die SP erkennt, stützt sich nicht auf das kurzsichtige Öffnen aller Schranken, sie beruht auf den drei Pfeilern „Verlagern“, „Vermindern“ und „Verbessern“.

Verlagern heisst:
Es sind im Richtplan die Grundlagen zu schaffen, dass die Verkehrsentwicklung dahin geht, dass immer mehr Menschen mit dem jeweils umweltverträglicheren Verkehrsmittel unterwegs sind. Es soll das Umsteigen vom MIV auf den ÖV und vom ÖV auf den Velo- und Fussverkehr besonders gefördert werden. Dann wird wieder Raum auf der Strasse frei für Menschen, welche auf die Nutzung der Strasseninfrastruktur angewiesen sind, so dass weniger und erst mit längerer Fristigkeit Ausbauten nötig werden.

Vermindern heisst:
Die Raumplanung ist gesamtheitlich anzugehen. Wir haben verlangen, die Verkehrsrichtplanung sei besser auf die Siedlungsplanung abzustimmen. Durch intelligente Siedlungsplanung mit Verkürzung der Wege werden weniger Personenkilometer auf allen Verkehrsträgern nötig. Das entlastet die Umwelt, die Infrastrukturen von MIV, ÖV und FVV was auch volkswirtschaftlich sinnvoll ist.

Verbessern heisst:
Die bestehenden wie auch die notwendigen neuen Infrastrukturbauten sind so zu gestalten, dass ihr Betrieb ein Minimum an Emissionen verursacht. Wo Grenzwerte überschritten werden ist nicht auszubauen, sondern zunächst zu sanieren. Verkehrswege müssen nicht bloss funktionieren, sie sind auch zu attraktiven Aussenräumen aufzuwerten.

Immerhin darf festgestellt werden, dass der Verkehrsrichtplan in den Kommissionen nicht nur verschlechtert worden ist. Auf Antrag der SP hat die KEVU für den Fuss- und Veloverkehr ein eigenständiges Kapitel geschaffen. Ein Kapitel, das uns so wie es vorliegt ganz gut schmeckt.

Abschliessend ist festzuhalten:
Das Rezept der Regierung für einen neuen Verkehrsrichtplan war nicht nach unserem Geschmack. In den Kommissionsberatungen wurde an diesem Rezept gearbeitet. Beigefügt wurde eine schmackhafte Prise Fuss- und Veloverkehr, das Fett des Strassenverkehrs wurde noch dicker aufgetragen und die Parkierung wurde tüchtig versalzen.
Die jetzige Vorlage ist in ihrer Gesamtheit betrachtet ungeniessbar. In der jetzigen Version wird die SP dem Verkehrsrichtplan sicher nicht zustimmen können.
Als versierte Politköchinnen und Köche können wir alle jetzt aber noch korrigierend eingreifen. Der Strassenbauspeck muss mindestens auf den Umfang der doch auch schon bürgerlich-deftigen Regierungsratsvorlage zurückgeschnitten werden, die Parkierung muss mindestens wieder die Würze des regierungsrätlichen Vorschlages bekommen und das Kapitel zum Fuss- und Veloverkehr darf nicht reduziert werden.

Nein; diese Suppe wie sie uns hier vorliegt essen wir nicht.
Ich lade sie aber herzlich ein, mit uns zusammen diese Suppe zu verfeinern. Mit unseren Anträgen bieten wir ihnen die nötige Würze dazu. Machen sie Gebrauch davon, damit sich niemand den Magen daran verdirbt.